> Predigt an Heiligabend 2022 in der Christuskirche

(18 Uhr Christuskirche Detmold, von Dieter Bökemeier, Pfarrer für Diakonie, Ökumene und Migration der Lippischen Landeskirche)


Liebe Gemeinde,
Maria, Josef, die Hirten, der Engel: wunderbar – und dann in dieser Sprachvielfalt! Danke Euch Mitwirkenden des szenischen Spiels eben.

Es ist gut, diese Hauptpersonen zu sehen und ihnen zuzuhören, von denen die Weihnachtsgeschichte erzählt. Denn die haben es wahrhaft verdient, Mirjam, unverheiratet schwanger, Josef (gesprochen: Jußef), ein kleiner Handwerker aus einem unbedeutenden Ort im Norden Israels. Und ein paar ruppige Hirten von den Steppen im Süden bei Bethlehem.

Ja, sie haben es verdient, das von ihnen eine Geschichte erzählt wird, die Geschichte über die Menschwerdung Gottes. Denn normalerweise standen Menschen wie sie nicht im Mittelpunkt der Ereignisse.

Die, um die sich normalerweise alles dreht, werden am Anfang der Weihnachtsgeschichte kurz erwähnt: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging… Diese Schätzung geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war“.

Der römische Kaiser Augustus ist dabei sogar eigentlich Schuld daran, dass die hochschwangere Mirjam mit ihrem Verlobten mitgehen muss, um sich in irgendwelche blöden Steuerlisten im Süden des Landes einzutragen: 150 Kilometer zu Fuß, 5 Tage strammer Marsch, von einem Esel als Reittier ist in der Geschichte nicht mal die Rede.

Und das alles wegen irgendeines Kaisers im fernen Rom. Wegen des Staatschefs einer brutalen Besatzungsmacht, die mehr Geld für ihre Legionen braucht, um das eroberte Land noch effektiver unterdrücken zu können. Darum geht es nämlich bei den Steuerlisten: Die Römer brauchen Geld.

Und die Hirten? Die zählten sowieso zu den Armen damals und waren eher als ungehobelte Burschen verschrien.

Also Mirjam, Josef, die Hirten: im Grunde ohnmächtige Menschen, die den Verhältnissen ihrer Zeit hilflos ausgeliefert waren.

Und genau da finde ich mich heute wieder: Dieses Hilfslos-Sein angesichts all dieser Probleme, die auf uns einprasseln. Dieses Gefühl: Da geht gerade irgendetwas gründlich schief in dieser Welt und ich kann nichts ändern.

Da kommt erst so ein Virus, vielleicht entstanden, weil wir die Natur zu sehr einengen – als Menschheit, nicht ich persönlich, denke ich. Es folgten 2 schwere Jahre Pandemie. Dann hoffte man, es wird endlich wird besser.

Und dann kommt da so ein heutiger Herrscher in einer heutigen Hauptstadt, der denkt, sein Nachbarland überfallen und erobern zu können. Es folgen Krieg, Leid, Tod. Es folgen weltweite Konsequenzen wie Hunger in ärmeren Ländern… Und für uns folgen Preissteigerungen, die einen durchaus erschaudern lassen.

Und schließlich ist da noch die Klimakrise, die schneller kommt, als viele gedacht haben. Was helfen da unsere eigenen kleinen Versuche, Energie zu sparen?

Das ist macht so ohnmächtig alles. Man fühlt sich diesen großen Entwicklungen so ausgeliefert dieser Tage. Und versucht dann, mit diesen ganzen Dingen, die auf einen einstürmen, irgendwie klar zu kommen.

So wie Mirjam und Josef mit dieser kaiserlichen Idee mit den Steuerlisten klarkommen mussten. Und sie haben sich dann eben auf den Weg gemacht. Wohl oder übel – mit einem Grummeln im Bauch, aber hilflos.

Liebe Gemeinde, ich finde es bedeutsam, dass die große Geschichte, wie Gott zu den Menschen kommt, genau so anfängt, mit der Hilflosigkeit zweier Menschen, die den großen Entwicklungen ausgeliefert sind.

Genau diese Perspektive wählt Gott, um zur Welt zu kommen. Gott mischt sich quasi unter die, die ohnmächtig ausbaden müssen, was sich ein Fremdherrscher ausgedacht hat. Gott wandert mit Maria und Josef die fünf langen, beschwerlichen Tage mit. Gott teilt ihre Obdachlosigkeit im überfüllten Bethlehem. Gott erscheint auch den einflusslosen Hirten draußen im Freien, die sich ihr ärmliches Leben ja auch nicht ausgesucht haben.

Aber am Ende, und das ist der Punkt: Am Ende macht Gott daraus etwas ganz Neues. Gott wandelt sozusagen die Herrschaftsidee eines brutalen Caesaren in etwas um, was die Welt segensreich verändern wird.

Das ist der Kern der Botschaft auch heute Abend: Gott kommt uns nahe, ich meine so richtig nahe in dem ganzen Schlamassel, das wir als Menschheit angerichtet haben.

Gott nimmt auch unsere Sorgen um hohe Energiekosten ganz persönlich. Und er spürt die unterschwellige Angst, wie wir das alles schaffen und aushalten sollen.

Genau an unseren Orten von Ohnmacht und Verunsicherung erscheint plötzlich Gott – zunächst ganz klein. Aber genau dadurch entsteht Hoffnung.

Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass das, was damals in Bethlehem so machtlos begann, einmal die Welt verändert. Ja, sogar den Kaiserthron in Rom erreicht?

Wer hätte gedacht, dass Jesu Ideen wie Gewaltverzicht und die Würde eines jeden Menschen die Grundlagen der Weltgemeinschaft werden? Wenigstens theoretisch – aber immerhin!

Wer hätte gedacht, dass nun doch endlich der Groschen in Sachen Klimaschutz zu fallen scheint? Ja, viel zu langsam, noch, Cent für Cent sozusagen, aber endlich bewegt sich wohl was.

Wer hätte gedacht, dass mutige Frauen – und auch Männer – die Religionsdiktatur im Iran ins Wanken bringen? Unsere Geschwister vom persischen Bibelkreis kennen sie, hoffen mit ihnen so inständig.

Wer hätte gedacht, dass Putin sich doch so verrechnet zu haben scheint?

Ja, und auch in Sachen hohe Energiekosten entsteht Solidarität bei uns
Ich meine die Aktion Wärmewinter in Kirchengemeinde und die Spendenkampagne „Wärme für Lippe“ oder Detmold gibt Wärme, die wir auch als Landeskirche mitgestalten.

Liebe Gemeinde,
Gott sucht sich bewusst unsere Ohnmacht für sein Kommen in diese Welt aus – aber gerade dadurch fängt etwas an, sich zu verändern.

Ich möchte Ihnen jedenfalls Mut machen für den Blick nach vorne in diesen bedrückenden Zeiten. Gott lässt Sie und mich nicht allein, wie er auch Mirjam und Josef und die Hirten, nicht allein gelassen hat.

Gott lässt Sie und mich auch nicht mit den persönlichen Sorgen allein, ich meine jenseits der großen Fragen, die uns Angst machen. Die persönlichen und die alltäglichen Sorgen, wie sie Mirjam und Joseph auch hatten. Woher Windeln nehmen, ein Bett für das Neugeborene, die unsichere Perspektive später zurück in Nazareth mit einem unehelichen Kind. Solche Dinge, die einen auch richtig quälen können.

Auch diese Sorgen teil Gott, macht sie sich zu eigen, und macht sie durch seine Nähe ein Stückchen tragbarer. Gott kommt im Kleinen, aber das wird auch in Ihrem und meinen Leben den Unterschied ausmachen und etwas verändern.

Darum erzählen wir von Maria und Josef. Denn Gott rückt sie in den Mittelpunkt! Und darum sagt der Engel zu den Hirten: Fürchtet euch nicht! Oder positiv gewendet: Ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird

Amen